Ein Vorstellungsgespräch, bei dem der Bewerber (wie immer sind w/m gemeint) und die Interviewpartner durch einen Vorhang von einander getrennt sind und sich nicht sehen können – eine seltsame Vorstellung? Nicht so in der Orchesterwelt.

In dem Bestreben, Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen beim Einstellungsprozess zu gewährleisten, begann das Boston Symphony Orchestra eine sogenannte “blind audition” durchzuführen, bei der sämtliche optischen Eindrücke ausgeblendet wurden und es nur auf den Ton, die vorgespielte Musik, ankam.

Überraschenderweise führte diese Vorgehensweise nicht zu einer Erhöhung der Zahl der eingestellten Frauen. In einem weiteren Schritt wurden die Bewerber gebeten, die Schuhe auszuziehen. Erst jetzt, nachdem auch das Geräusch klackernder Absätze ausgeschaltet war, war die Audition wirklich blind und führte schon bei der ersten Durchführung dazu, dass fast 50 % der sich bewerbenden Frauen eingestellt wurden.

Auch die Harvard Professorin Iris Bohnet hat alles daran gesetzt, dass die Einstellung ihrer persönlichen Assistentin ganz nach objektiven Kriterien abläuft und entwickelte ein Auswahlverfahren, das frei von Sympathien und Antipathien sein sollte. Sie sichtete nur Lebensläufe, die anonymisiert waren und weder das Alter noch ein Foto der Bewerber enthielten, und verlangte eine Probearbeit, die im Organisieren einer Geschäftsreise incl. Erstellung von Powerpoint- Unterlagen bestand. Auch eine schwierige Mail musste eigenständig beantwortet werden. Bei den anschließenden persönlichen Interviews hatte Bohnet keine Ahnung, welcher Lebenslauf zu welchem Bewerber gehörte und stellte allen Kandidaten die gleichen fünf Fragen, für deren Beantwortung Punkte vergeben wurden. Die höchste Gesamtpunktzahl gab den Ausschlag für die erfolgreiche Bewerbung. Zum Glück mochte Bohnet ihre Assistentin, mit der sie dann eng zusammenarbeiten musste. Sie erwägt daher nun doch, den Sympathiefaktor künftig wieder als weiteren Punkt in die Auswahl einfließen zu lassen, ohne die Auswahl von Sympathie dominieren zu lassen, um eine angenehme Arbeitsatmosphäre sicher zu stellen.

Einen anderen Weg geht Vincent Bodo Andrin, Gründer und Geschäftsführer der Firma Liganova, einem Unternehmen, das Markenkommunikation betreibt. Um an eine Key Position in diesem Unternehmen zu kommen, genügen nicht ein oder zwei Vorstellungsgespräche, vielmehr werden wichtige Bewerber vom Geschäftsführer nach Hause eingeladen, zum Dinner und zur Übernachtung. Der Geschäftsführer nimmt wichtige Bewerber auch schon einmal mit zum Wandern in die Schweizer Berge und hatte es so auch schon auf ein 14 – 15-stündiges Vorstellungsgespräch gebracht, wie er einem Journalisten des Magazins “Business Punk” mitteilte, der ebenfalls zur Übernachtung eingeladen war.

 

01/03/2017 Von M. Lescher-Özen Allgemein Teilen: